Der Schlüssel zur Integration von Distributed Energy Resources

Distributed Energy Resources (DERs): von Batteriespeichern über Photovoltaik und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bis hin zu flexiblen Lasten sind zentrale Bausteine der Energiewende. Doch bislang bleiben sie fragmentiert. Jedes neue Projekt erfordert eine individuelle Integration mit Netzbetreibern, Märkten und Regulierungsstellen. Entwickler müssen das Rad immer wieder neu erfinden, indem sie maßgeschneiderte Brücken zwischen Hardware, EMS-Plattformen und den Anforderungen der Netzbetreiber bauen.

Energy has yet to find its common language.
Other industries scaled with universal interfaces, it’s time DERs did the same.

(Photo Credits: Abo-Energy)

Die Verzögerungen bei der Realisierung von Batterieprojekten sind bereits sichtbar: Allein in Deutschland befinden sich Dutzende von Großspeichern (BESS) in Planung oder warten auf Netzanschluss. Gleichzeitig werden Produktionskapazitäten in Höhe von mehreren Hundert GW/GWh angekündigt, von denen ein erheblicher Teil womöglich nicht umgesetzt wird oder sich verzögert. Diese Indikatoren deuten darauf hin, dass DER-Projekte typischerweise um mehrere Monate verschoben werden.

Kurz gesagt: Das Stromsystem wird dezentraler, doch die Systeme, die es verbinden sollen, bleiben fragmentiert.

Lehren aus anderen Branchen

Diese Herausforderung ist nicht einzigartig für den Energiesektor. Jede große Infrastrukturbranche stand vor ähnlichen Hürden, und hat sie durch Standardisierung überwunden.

Abbildung: Telekommunikation, Finanzwesen und das Internet haben globale Konnektivität erreicht, indem sie sich auf gemeinsame Schnittstellen geeinigt haben. Die Energiebranche ist als Nächstes an der Reihe.

Jedes Mal, wenn sich eine Branche auf eine gemeinsame Schnittstelle verständigte, folgten Skalierung und Innovation. Die Energiebranche hingegen befindet sich noch im „Vor-Standardisierungs-Zeitalter“. DERs wachsen rasant, doch die Integration bleibt aufwendig und projektweise.

Vorteile einer gemeinsamen DER-Schnittstelle

Für Politik und Regulierung reduziert eine gemeinsame Schnittstelle die Komplexität und beschleunigt die Integration erneuerbarer Energien. Harmonisierte Standards schaffen klarere Compliance-Pfade, senken den Verwaltungsaufwand und stärken das Vertrauen in die Zuverlässigkeit von DERs im Großmaßstab.

Für Technologieanbieter öffnet Interoperabilität den Zugang zu neuen Märkten. Produkte können über verschiedene Regionen hinweg ausgerollt werden, ohne für jeden Netzbetreiber neu entwickelt zu werden. Statt Kunden durch Lock-in zu binden, können Anbieter sich dort differenzieren, wo es zählt: bei Leistung, Sicherheit und Analytik.

Für Netzbetreiber bedeutet eine gemeinsame Schnittstelle Konsistenz. Anstelle eines Flickenteppichs aus Protokollen gewinnen sie einheitliche Sichtbarkeit und Steuerung über heterogene DER-Portfolios. Das schafft zuverlässigere Teilnahme an Regelenergie- und Flexibilitätsmärkten und stärkt die Systemstabilität in Stresssituationen.

Für Finanzierer und Investoren liegt der Wert in der Bankability. Assets, die auch bei sich ändernden Netzanschlussbedingungen erlösfähig bleiben, sind sicherere Investments. Mehr Planungssicherheit senkt die Kapitalkosten und verringert das Risiko von Stranded Assets oder teuren Retrofit-Maßnahmen, alles Faktoren, die Projekt-IRRs direkt absichern.

Für Entwickler beginnt der Nutzen mit Geschwindigkeit und Einfachheit. Genehmigung und Inbetriebnahme könnten ohne maßgeschneiderte Integrationen deutlich schneller erfolgen, während die EPC-Komplexität sinkt. Projekte werden robuster, mit Designs, die nicht schon nach wenigen Jahren kostspielige Anpassungen erfordern.

Eine gemeinsame DER-Schnittstelle löst sowohl ein technisches Problem und schafft einen messbaren Mehrwert für alle Akteure im Energiesystem.

Die bestehenden Standards – und warum sie nicht ausreichen

Es ist wichtig zu betonen, dass es dem Energiesektor nicht an Standards mangelt. Zahlreiche Rahmenwerke regeln bereits die Kommunikation und Steuerung von DERs:

  • IEC 61850 – weit verbreitet in der Stationsautomatisierung, mit Erweiterungen für DERs.

  • IEEE 2030.5 (Smart Energy Profile 2.0) – Kommunikationsprotokoll für DERs, besonders in Nordamerika.

  • OpenADR – Standard für automatisiertes Demand Response und Lastflexibilität.

  • EEBUS / VHPready – Ansätze für gemeinsame Sprachen im Smart Home bzw. in virtuellen Kraftwerken (VPP) in Europa.

Jedes dieser Systeme erfüllt eine wichtige Rolle, doch keines bietet eine universelle Schicht über Märkte, Asset-Klassen und Stakeholder hinweg. Entwickler und Betreiber müssen mehrere Standards kombinieren – häufig ergänzt durch individuelle Integrationen. Das führt zu Redundanzen, Verzögerungen und dem Risiko, dass Assets, die in einem regulatorischen Umfeld funktionieren, in einem anderen nicht kompatibel sind.

Daher verlagert sich die Diskussion von einzelnen Standards hin zur Idee einer universellen Schnittstelle: einem übergeordneten Framework, das Daten, Compliance und Steuerung über alle DERs hinweg harmonisiert.

Vision: Eine universelle DER-Plattform

Man stelle sich eine Welt vor, in der DERs so einfach ins Netz eingebunden werden wie Apps in ein Smartphone-Ökosystem. Eine universelle Plattform würde eine einheitliche Schicht schaffen, in der Kommunikation standardisiert ist, sodass jedes Asset dieselbe Sprache spricht. Compliance würde automatisiert auf Plattformebene erfolgen und neue Netzanschlussregeln aufnehmen, ohne dass jedes Projekt nachgerüstet werden muss.

Gleichzeitig würde sie neue Märkte eröffnen; von Flexibilitäts- und Resilienzprodukten bis hin zu grenzüberschreitendem Handel. Durch die Reduzierung maßgeschneiderter Integrationen würden Kosten gesenkt und Projekte schneller realisiert. Vor allem aber würde sie Vertrauen schaffen, indem Investoren, Regulierer und Netzbetreiber auf einer gemeinsamen Risikoplattform agieren.

Man kann sie sich als das „API des Stromnetzes“ vorstellen, nur noch umfassender. Es geht nicht nur um Datenaustausch, sondern um Bankability, Compliance und Resilienz.

Die Perspektive von MaxxWatt

Bei MaxxWatt beobachten wir genau, mit welchen Herausforderungen Entwickler und Finanzierer bei der Integration von DERs konfrontiert sind. Branchenweit ist sichtbar, dass Projekte häufig lange vor der Inbetriebnahme an Wert verlieren nicht aufgrund technischer Ausfälle, sondern wegen Integrationsmismatches, regulatorischer Unsicherheiten und unterschätzter Soft Costs.

Aus unserer Sicht ist die fehlende DER-Schnittstelle daher nicht nur ein technisches Defizit. Sie ist vor allem ein Risiko- und Bankability-Thema. Ohne eine gemeinsame Sprache werden DERs weiter mit versteckten Kosten kämpfen, die Zeitpläne, Business Cases und die langfristige Resilienz untergraben.


Branchen reifen, wenn sie sich auf eine gemeinsame Schnittstelle verständigen. Telekommunikation, Finanzwesen und IT hatten bereits ihre Wendepunkte. Die Energiebranche ist als Nächstes an der Reihe.

Die fehlende Schnittstelle für DERs ist mehr als ein ingenieurtechnisches Problem, sie ist der Schlüssel zu Bankability, Resilienz und Vertrauen in die Energiewende.

Die Frage ist nicht, ob sie kommt, sondern wer sich jetzt vorbereitet und wer später nachrüsten muss.

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